top of page

Wie Darmbakterien mit unserem Gehirn kommunizieren


https://pixabay.com/de/users/silviarita-3142410/?utm_source=link-attribution&utm_medium=referral&utm_campaign=image&utm_content=2756467"

„Du bist was du isst?“ Diesen Spruch haben vermutlich viele schon einmal gehört. Doch hat unsere tägliche Ernährung wirklich Einfluss auf persönliches Wohlbefinden oder sogar auf unser Verhalten? Immer mehr Wissenschaftler widmen sich derzeit dem Thema der sogenannten Darm-Hirn-Achse. Besonders spannend ist dabei die Entdeckung unserer Darmbakterien. Sie scheinen einen weit größeren Einfluss auf unser Gehirn zu haben als bisher angenommen. Wir besitzen ein sogenanntes „zweites Gehirn“ im Darm, welches über verschiedene Nervenbahnen mit dem Gehirn verbunden ist. Unsere kleinen Freunde im Darm nehmen eine zentrale Rolle ein – nicht nur bei körperlicher Gesundheit, sondern auch wenn es um Stress und emotionale Balance geht.


 

Was ist das „zweite Gehirn“?

Das Enterische Nervensystem (ENS), auch „zweites Gehirn“ genannt, ist Teil unseres Peripheren Nervensystems (PNS) und umgibt unseren Darm. Zusammen mit dem Zentralen Nervensystem (ZNS), welches aus Gehirn und Wirbelsäule besteht, steuert es unsere gesamten Körperfunktionen. Das ENS enthält Millionen an Nervenzellen, welche über den Vagus Nerv mit dem Gehirn verbunden sind. Es hat eigene Reflexe und Sinne und kann unabhängig vom Gehirn funktionieren.  Dabei sind fast alle Neurotransmitter, die im Gehirn vorhanden sind im ENS zu finden. Neurotransmitter sind die Stoffe, über welche die Nervenzellen Signale senden. Sie bestimmen so über Körpervorgänge, Stress, Emotionen und auch unser hormonelles Gleichgewicht.


Wozu haben wir Darmbakterien?

Während unsere ganze Körperoberfläche von Bakterien besiedelt ist, gibt es auch im Darm eine erstaunliche Anzahl verschiedener Lebensformen. Dazu zählen Protozoen, Pilze, Viren und vor allem Bakterien. Der menschliche Darm ist das Zuhause von Trillionen an Bakterien, welche auch Mikrobiom genannt werden. Es steht in ständigem, direktem Austausch mit dem ENS. Das Mikrobiom hilft uns aber nicht nur dabei unsere tägliche Nahrung zu verarbeiten und Nährstoffe aufzunehmen. Die kleinen Bakterien können über die Darm-Hirn-Achse zwischen dem Darmhirn und dem richtigen Gehirn Informationen austauschen. Sie schützen uns gegen schädliche Mikroben und wirken auf unsere Immunfunktion. Sie sind bei der Produktion verschiedener Vitamine (z.B. B-Vitamine und Vitamin K) und essenzieller Neurotransmitter (GABA, Serotonin, Dopamine) beteiligt. Da die Darmbakterien auch unsere Mitochondrien beeinflussen, tragen sie zur Regulation der Energiebalance bei. Selbst epigenetische Effekte des Mikrobioms, also eine Veränderung der Genexpression verbunden mit verschiedenen physiologischen Funktionen, konnten beobachtet werden.


Die Darmbakterien haben großes Mitspracherecht bei der Funktion unseres Gehirns und können somit unser Wohlbefinden und Verhalten beeinflussen. Über das ENS kommunizieren sie mit unserem Nervensystem, Immunsystem und Hormonsystem. Sie können also mitbestimmen, wie gestresst wir uns fühlen, wie gut unser Immunsystem uns gegen Krankheiten schützt und wie es um unseren Hormonhaushalt steht. Eine positive Veränderung des Mikrobioms kann bei vielen verschiedenen chronischen Erkrankungen helfen.  Essen wir bestimme Nahrungsmittel besonders oft, so werden sich in unserem Darm vermehrt Bakterienarten finden, die darauf spezialisiert sind, diese Nahrungsmittel zu verwerten. Unsere Ernährung spielt daher eine Schlüsselrolle in der physiologischen und psychischen Gesundheit.


Was sind Probiotika und Präbiotika?

Sogenannte Psychobiotika gelten als besonders hilfreich, wenn es darum geht unser Mikrobiom gesund zu halten. Dazu gehören Pro- und Präbiotika. Sie tragen dazu bei jene „freundlichen Bakterien“ zu vermehren, welche sich positiv auf unser Gehirn auswirken. Nahrungsmittel, die besonders viele darmfreundliche Bakterien enthalten, nennen sich Probiotika. Zu den Bakterienstämmen Lactobacillus und Bifidobacteria konnten viele positive Wirkungen auf unsere Psyche beobachtet werden. Probiotika finden wir besonders in fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut, Kimchi, Joghurt, Kefir, aber auch in Rohkost oder Kakao. Als Präbiotika werden Nahrungsmittel bezeichnet, welche die probiotischen Bakterien unterstützen und nähren. Hierzu zählen vor allem Ballaststoffe. Viel Gemüse kann unsere freundlichen Mikroben im Darm also hoch erfreuen. Der Ballaststoff Inulin hat besonders positive Auswirkungen auf unsere Darmbakterien. Zu finden ist Inulin zum Beispiel in Chicorée, Topinambur, Löwenzahn, Knoblauch, Artischocken, Zwiebeln, Porree, Spargel und Bananen.


Wie wirkt die Ernährung auf unsere psychische Gesundheit?

Ein gesundes Mikrobiom ist gekennzeichnet durch eine hohe Vielfalt an gesundheitsförderlichen Bakterien. Bei unzähligen Erkrankungen, auch psychischen Störungen, wurde jedoch beobachtet, dass die Darmbakterien nicht in gesunder Balance sind. Die Zusammensetzung der Darmbakterien wirkt sich also sehr auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden aus. Bestimmte Darmbakterien sind beispielsweise in der Lage den Neurotransmitter Serotonin zu synthetisieren. Es wird geschätzt, dass sich 95% unseres Serotonins im Darm befindet. Serotonin trägt zu erhöhter Muskelfunktion und Darmbewegung bei, ist aber auch als der Neurotransmitter bekannt, der uns gute Gefühle zukommen lässt.

 

Eine sogenannte Psychobiotische Ernährung konzentriert sich vor allem auf den Genuss von Pro- und Präbiotika. Studien haben herausgefunden, dass Probiotika, insbesondere fermentierte Lebensmittel, bei Ängsten und Depressionen helfen können. Präbiotika können unter anderem den Stresspegel regulieren, indem sie die Kortisol-Werte senken.  Auch Lebensmittel mit hoher Mikronährstoffdichte und vielen sekundären Pflanzenstoffen (z.B. Polyphenolen) sollten bevorzugt werden. Dies kann zu einer besseren körperlichen und psychischen Gesundheit beitragen, indem das Vorhandensein positiver Darmbakterien gefördert wird. Vermieden oder deutlich reduziert wird hierbei der Konsum von gesundheitsschädlichen Lebensmitteln, welche das Mikrobiom in Dysbiose bringen können, also die schlechten Bakterien fördern. Hierzu gehören tierische Produkte, ungesunde Fette, verarbeitete Kohlenhydrate, Zucker und zu salzige Nahrung (z.B. Fast Food, Fertigessen). Nicht alle Darmbakterien tun unserem Gehirn gut.  Auch Zucker füttert solche Bakterien, die im Körper entzündliche Prozesse auslösen. Er sollte besonders bei Darmproblemen, Depressionen und Gefühlsschwankungen gemieden werden.


Eine Mediterrane Kost ist gekennzeichnet durch einen hohen Verzehr an Gemüse, Obst, Vollkorn, Nüssen, Samen, Hülsenfrüchten, Olivenöl und Kräuter. Sie gilt allgemein als gesund und steht mit weniger Depressionen, Ängsten, Anspannungen, negativem Affekt und weniger Stress in Zusammenhang. Sie geht mit positivem Wohlbefinden, verbesserter Aufmerksamkeit, Vitalität und Lebenszufriedenheit einher. Die vegetarische und vegane Ernährungsweise zeigte in verschiedenen Studien Zusammenhänge zu weniger Depressionen, Ängsten, Stress, Ärger und Erschöpfungszustände. Beispielsweise wurde beim Verzehr von mehr Obst und Gemüse ein besseres Wohlbefinden und mehr positive Affekte (z.B. Vitalität, Flourishing, Kreativität und Motivation) berichtet. Ein höherer Gemüseverzehr führte zu einer Verringerung von negativen Emotionen.


Eine besondere Rolle in der Ernährung fließt den Omega-3-Fettsäuren zu. Sie hemmen Entzündungen und sind zudem essenziell für die Bildung neuer Synapsen und Neuronen. Es wurde gezeigt, dass diese Fettsäuren die gesundheitsfördernden Bifidobakterien-Stämme im Darm erhöhen können. Außerdem konnten eine antidepressive Wirkung und ein Zusammenhang zu besserer Stimmung, basierend auf veränderter Neurotransmitter-Balance, nachgewiesen werden. Zu finden sind Omega-3-Fettsäuren zum Beispiel in Leinsamen, Walnüssen, Chiasamen, Hanfsamen, fettem Fisch und Algenöl. Polyphenolreiche Lebensmittel haben zudem die Fähigkeit unser Mikrobiom zu regulieren und zeigen ähnliche Wirkungen wie Präbiotika. Polyphenole sind sekundäre Pflanzenstoffe mit gesundheitlich besonders vorteilhaften Wirkungen. Sie können beispielsweise die Nährstoffaufnahme optimieren, das Immunsystem stärken oder den Stoffwechsel unterstützen. Sie wirken sich positiv auf Depressionen aus, indem sie neuronale Entzündungsprozesse verringern. Polyphenole fördern das Wachstum von freundlichen Bakterienstämmen im Darm, welche sich wiederum vorteilhaft auf die Gesundheit auswirken.


Fazit

Was wir essen verändert kurz- und langfristig die Zusammensetzung unserer Darmbakterien. Diese spielt eine große Rolle, wenn es um unsere körperliche Gesundheit geht. Eine gesunde Ernährung kann sich durch die Veränderung des Mikrobioms auch positiv auf unsere Emotionen auswirken und psychische Erkrankungen unterstützen. Sowohl pro- und präbiotische als auch polyphenolreiche Lebensmittel haben besonders positive Effekte auf die körperliche und mentale Gesundheit. Eine Rolle hierbei spielen verschiedene neuronale, hormonelle und immunologische Wege der Kommunikation zwischen Mikrobiom, Enterischem Nervensystem und unserem Gehirn. Verschiedene Neurotransmitter sind mitverantwortlich für unsere Gefühlszustände, welche wiederum Einfluss auf unser Verhalten haben können. 


Quellen

Beezhold B., Radnitz C., Rinnie A., DiMatteo J. (2015). Vegans report less stress and anxiety than omnivores. PubMed Article in Nutritional Neuroscience November 2014; doi: 10.1179/1476830514Y.0000000164
 
Bourassa, M. W., Alim, I., Bultman, S. J., & Ratan, R. R. (2016). Butyrate, neuroepigenetics and the gut microbiome: can a high fiber diet improve brain health?. Neuroscience letters, 625, 56-63; https://doi.org/10.1016/j.neulet.2016.02.009
Liu S, Cheng L, Liu Y, Zhan S, Wu Z, Zhang X. Relationship between Dietary Polyphenols and Gut Microbiota: New Clues to Improve Cognitive Disorders, Mood Disorders and Circadian Rhythms. Foods. 2023; 12(6):1309. https://doi.org/10.3390/foods12061309
 
Conner T.S., Brookie K.L., Carr A.C., Mainvil L.A., Vissers M.C.M. (2017). Let them eat fruit! The effect of fruit and vegetable consumption on psychological well-being in young adults: A randomized controlled trial. PLoS ONE 12(2): e0171206; doi: 10.1371/journal.pone.0171206
 
Fernandes M.F., Mutch D.M, Leri F. (2017). The Relationship between Fatty Acids and Different Depression-related Brain Regions, and Their Potential Role as Biomarkers of Response to Antidepressants.
Jandhyala, S. M., Talukdar, R., Subramanyam, C., Vuyyuru, H., Sasikala, M., & Reddy, D. N. (2015). Role of the normal gut microbiota. World journal of gastroenterology: WJG, 21(29), 8787; doi: 10.3748/wjg.v21.i29.8787
 
Kaplan, B. J., Rucklidge, J. J., Romijn, A., & McLeod, K. (2015). The emerging field of nutritional mental health: Inflammation, the microbiome, oxidative stress, and mitochondrial function. Clinical Psychological Science, 3(6), 964-980; https://doi.org/10.1177/2167702614555413
 
Martínez-González MA, Gea A, Ruiz-Canela M. The Mediterranean Diet and Cardiovascular Health. Circ Res. 2019 Mar;124(5):779-798. doi: 10.1161/CIRCRESAHA.118.313348
 
Messaoudi, M. et al.(2011) Beneficial psychological effects of a probiotic formulation (Lactobacillus helveticus R0052 and Bifidobacterium longum R0175) in healthy human volunteers, Gut Microbes, 2:4, 256-261, DOI: 10.4161/gmic.2.4.16108
 
Ocean N., Howley P., Ensor J. (2019). Lettuce be happy: A longitudinal UK study on the relationship between fruit and vegetable consumption and well-being. © 2019 The Authors. Published by Elsevier Ltd., Social Sciences & Medicines 222 (2019) 335-345; http://doi.org/10.1016/j.socscimed.2018.12.017
 
Rea, K., Dinan, T. G., & Cryan, J. F. (2016). The microbiome: a key regulator of stress and neuroinflammation. Neurobiology of stress, 4, 23-33; https://doi.org/10.1016/j.ynstr.2016.03.001
 
Rieder, R., Wisniewski, P. J., Alderman, B. L., & Campbell, S. C. (2017). Microbes and mental health: a review. Brain, behavior, and immunity, 66, 9-17; https://doi.org/10.1016/j.bbi.2017.01.016
 
Schmidt K. et al. (2015). Prebiotic intake reduces the waking cortisol response and alters emotional bias in healthy volunteers.
 
Scott C. Anderson, John F. Cryan.The Psychobiotic Revolution. Mood, Food, and the New Science of the Gut-Brain Connection (2017).
Singh, R. K., Chang, H. W., Yan, D., Lee, K. M., Ucmak, D., Wong, K., ... & Bhutani, T. (2017). Influence of diet on the gut microbiome and implications for human health. Journal of translational medicine, 15(1), 73; doi: 10.1186/s12967-017-1175-y
 
Westfall, S., & Pasinetti, G. M. (2019). The gut microbiota links dietary polyphenols with management of psychiatric mood disorders. Frontiers in neuroscience, 13, 1196.
 
Zhou, L., & Foster, J. A. (2015). Psychobiotics and the gut–brain axis: in the pursuit of happiness. Neuropsychiatric disease and treatment, 11, 715; doi: 10.2147/NDT.S61997

Commentaires


bottom of page