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Stalking

  • Leonie
  • vor 7 Tagen
  • 6 Min. Lesezeit


Sie spürt den Blick in ihrem Nacken. Wieder diese anonyme Nachricht. Ist es Zufall oder verfolgt sie jemand…? Was wie der Beginn eines Thrillers klingt, ist für viele Menschen bittere Realität. Stalking ist kein harmloses Vergehen, sondern eine ernsthafte Bedrohung. Im Jahre 2022 erfasste die Polizei ca. 23.000 Fälle, von denen ca. 370 Fälle schwerwiegend waren und sogar 2 Fälle mit Todesfolge. Was es mit Stalking auf sich hat, welche Motive dahinterstecken und wie man sich schützen kann, klären wir nun in diesem Artikel.


 

Was ist Stalking?

Stalking beschreibt das wiederholte und unerwünschte Nachstellen, Belästigen oder Verfolgen einer Person. Dies kann online (Cyberstalking) oder offline stattfinden. Es geschieht gegen den Willen des Opfers und kann dessen Leben erheblich einschränken. Betroffene fühlen sich oft hilflos, bedroht und entwickeln massive Ängste. Stalking kann in vielen Formen umgesetzt werden, beispielsweise durch:


  • Dauerhafte Kontaktversuche per SMS, Anrufe, E-Mails oder Briefe

  • Auflauern und Verfolgen, sei es zu Fuß oder mit dem Auto

  • Wortloses Beobachten, etwa vor der Wohnung oder am Arbeitsplatz

  • Kontaktaufnahme über Dritte, um indirekt Nähe zu erzwingen

  • Unerwünschte Geschenke oder hinterlassene Botschaften am Auto oder der Haustür

  • Nachforschungen im Umfeld, um Informationen über das Opfer zu sammeln

  • Sachbeschädigung oder Vandalismus, um das Opfer einzuschüchtern

  • Eindringen in private Räume, wie Wohnung oder Arbeitsplatz

  • Verschicken von obszönen oder verstörenden Gegenständen

  • Missbrauch persönlicher Daten, z. B. Bestellungen oder Kündigungen im Namen des Opfers

  • Verleumdungen/Rufschädigung

  • Anwendung körperlicher Gewalt


Stalking ist keine Krankheit, sondern ein Verhalten. Zwar können psychische Störungen eine Rolle spielen, doch über 90 % der Stalker sind weder psychisch krank noch unzurechnungsfähig. Sie handeln meist bewusst und gezielt und sind daher für ihr Verhalten verantwortlich.

 

Die Motive von Stalkern: Warum verfolgen Täter ihre Opfer?

Stalking ist kein einheitliches Phänomen, die Beweggründe der Täter unterscheiden sich stark. Grundsätzlich lassen sich zwei Hauptmotive erkennen: Der Wunsch nach einer Beziehung oder das Bedürfnis nach Rache und Kontrolle. Doch auch ein Wechsel zwischen diesen Motiven ist möglich. Ein zunächst romantisch motivierter Stalker kann nach wiederholter Zurückweisung in Wut umschlagen und seinem Opfer schaden wollen. Frustration kann sich so weit aufbauen, dass sich sadistische Fantasien entwickeln. Egal, welches Motiv dahintersteckt – Stalking ist für die Betroffenen extrem belastend und kann gefährliche Ausmaße annehmen. Der richtige Umgang mit Stalking erfordert sowohl Schutzmaßnahmen für die Opfer als auch gezielte Interventionen für Täter, um die Gewaltspirale zu durchbrechen.


Beziehung zwischen Täter und Opfer

Stalking ist kein geschlechtsneutrales Phänomen, in den meisten Fällen sind die Täter männlich (ca. 80 %) und die Opfer weiblich (ebenfalls ca. 80 %). Besonders häufig tritt Stalking nach dem Ende einer Beziehung auf: Etwa die Hälfte aller Stalking-Fälle geht auf Ex-Partner zurück. Der Wunsch, die Beziehung wiederherzustellen, oder die Unfähigkeit, mit der Trennung umzugehen, sind hier zentrale Motive. Komplett fremde Stalker, die ihre Opfer vor Beginn des Stalkings nicht kannten, sind mit etwa 8 % vergleichsweise selten. In den übrigen Fällen stammt der Täter aus dem sozialen Umfeld des Opfers, dazu zählen Bekannte, Freunde, entfernte Familienmitglieder oder Arbeitskollegen. Diese Täter haben oft persönliche oder emotionale Gründe für ihr Verhalten, sei es unerwiderte Zuneigung, Eifersucht oder das Bedürfnis nach Kontrolle.


Die verschiedenen „Stalkertypen“

Stalker lassen sich, je nach Motivation, Beziehung zum Opfer und psychischer Verfassung in verschiedene Typen unterscheiden. Paul E. Mullen, Michael Pathé und Rosemary Purcell erforschten fünf Tätertypen, die heute sehr bekannt sind.  

 

Der zurückgewiesene Stalker („Rejected Stalker“)

Der Täter ist hier zumeist der Ex-Partner, der zurückgewiesen wurde und die Trennung nicht akzeptieren kann. Sein Ziel ist es, die Beziehung wiederherzustellen oder sich an dem Ex-Partner zu rächen. Der Täter kann hierbei zwischen Sehnsucht und Wut schwanken, vor allem wenn der Versuch, die Beziehung wiederherzustellen, scheitert, kann das anfänglich milde Stalking auch in Wut und Gewalt umschlagen. Da 50 % aller Stalker auf Expartner zurückzuführen sind, kommt dieser Tätertyp besonders häufig vor.


Der ärgerliche/wütende Stalker („Resentful Stalker“)

Dieser Täter handelt aus Rachegefühlen und dem Wunsch nach Vergeltung. Sie empfinden sich selbst als Opfer und sind überzeugt, dass ihnen Unrecht durch die gestalkte Person widerfahren ist, deswegen möchte der Täter sein Opfer quälen und ängstigen.


Der Intimität begehrende Stalker („Intimacy Seeker“)

Dieser Täter will eine Beziehung erzwingen und denkt oft fälschlicherweise, dass das Opfer ihn liebt oder sich noch verlieben wird. Egal wie die Opfer reagieren, der Täter interpretiert selbst Abweisungen als Signal der Zuneigung und ist nur selten vom Gegenteil zu überzeugen. Man spricht auch von Erotomanie („Liebeswahn“).


Der inkompetente Verehrer („Incompetent Suitors“)

Dieser Täter hat Schwierigkeiten, soziale Beziehungen zu führen, und versucht auf unangemessene Weise, eine Verbindung zu dem Opfer aufzubauen. Dabei ist er überzeugt einen Anspruch auf das Opfer zu haben. Polizeiliche Maßnahmen funktionieren meistens gut, jedoch sucht der Stalker sich oft ein neues Opfer.


Der räuberische/habgierige Stalker („Predatory Stalker“)

Der Täter beobachtet sein Opfer über längere Zeiträume hinweg, oft sexuell motiviert und mit dem Ziel eines physischen Übergriffs. Daher ist dieser Tätertyp besonders gefährlich. Allerdings handelt es sich auch um die geringste Gruppe von Stalkern.


Stalking und psychische Erkrankungen

Wie bereits oben erwähnt sind nur wenige Stalker psychisch krank. Dennoch gibt es Stalker, deren Verhalten auf psychischen Störungen basiert. Besonders Persönlichkeitsstörungen oder Wahnvorstellungen können eine Rolle spielen. Diese sind nicht klinisch diagnostizierbar, aber als Tendenzen zu erkennen.


Persönlichkeitsstörungen

Manche Stalker zeigen Persönlichkeitsmerkmale, die sie besonders anfällig für obsessives Verhalten machen. Dabei stehen emotionale Instabilität, übersteigertes Geltungsbedürfnis und mangelnde Empathie im Vordergrund. Nun folgen zwei Beispiele.


Histrionische Persönlichkeitsstörung

Menschen mit einer histrionischen Persönlichkeitsstörung suchen ständig nach Aufmerksamkeit. Sie neigen zu übertriebenen Emotionen, dramatischen Ausbrüchen und einer intensiven Fixierung auf andere Personen. Ablehnung oder Trennung können diese in tiefe Verzweiflung stürzen und in extremen Fällen zu Stalking führen. Sie setzen alles daran, wieder im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der fixierten Person zu stehen, auch wenn das bedeutet, Grenzen zu überschreiten.


Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch das extreme Bedürfnis nach Anerkennung und Bewunderung aus. Dabei sehen sich diese Menschen selbst als außergewöhnlich und reagieren extrem empfindlich auf Zurückweisung oder Kritik. Wenn eine Beziehung scheitert, erleben sie dies nicht als normalen Verlust, sondern als tiefe Kränkung ihres Egos oder auch als Kontrollverlust. Das kann zu obsessivem Verhalten führen, vom Versuch, die Person zurückzugewinnen, bis hin zu Vergeltungsmaßnahmen, um den eigenen „Status“ wiederherzustellen. Besonders gefährlich sind narzisstische Stalker, wenn sie sich gedemütigt fühlen, dann können sie rücksichtslos und unberechenbar werden.


Wahrnehmungsstörung

Manche Stalker leiden unter schweren Wahrnehmungsstörungen, die sie von der Realität entfremden. Ihre Obsession mit dem Opfer basiert dann nicht auf bewusster Kontrolle, sondern auf einer verzerrten Wahrnehmung.


Schizophrenie und Psychosen

Schizophrenie ist eine chronische Erkrankung, die zu Halluzinationen, Wahnvorstellungen und desorganisiertem Denken führen kann. Psychosen hingegen sind zeitlich begrenzte Episoden, oft ausgelöst durch Drogen oder extreme Belastungen. Stalker mit solchen Erkrankungen sind oft schuldunfähig. Sie glauben fest daran, eine besondere Verbindung zum Opfer zu haben. Sie interpretieren neutrale Gesten als Zeichen der Zuneigung und können sich von dieser fixen Idee nicht lösen. Oft begleitet ein paranoides Element ihre Gedankenwelt: Misstrauen, Verfolgungswahn und das Gefühl, dass äußere Mächte sie beeinflussen, verstärken ihre Besessenheit.


Erotomanie („Liebeswahn“)

Erotomanische Stalker glauben felsenfest, dass ihr Opfer heimlich in sie verliebt ist, selbst wenn es keinerlei Hinweise darauf gibt. Häufig sind Prominente oder Menschen mit gesellschaftlichem Status betroffen. Jede Handlung des Opfers wird als Bestätigung gedeutet: Eine Ablehnung wird als „Liebesbeweis unter Zwang“ interpretiert, ein einfaches Lächeln als heimliches Eingeständnis der Zuneigung. Diese wahnhafte Fixierung kann sich schlagartig entwickeln und schnell eskalieren. Wird die erhoffte Reaktion nicht erwidert, schlägt die Liebe oft in Hass und Wut um und der Stalker wird aggressiv.


Die Auswirkungen auf Betroffene

Stalking hat oft schwerwiegende psychische und physische Folgen. Viele Betroffene leiden unter Angststörungen, Panikattacken, Schlafproblemen, Magenproblemen, Kopfschmerzen oder Depressionen. Das ständige Gefühl der Bedrohung führt dazu, dass sie die Umwelt anders wahrnehmen, ihr Verhalten anpassen, ihren Alltag einschränken und sich sozial isolieren. Einige ziehen um oder wechseln ihre Arbeitsstelle, um dem Täter zu entkommen. In schweren Fällen entwickeln Opfer Suizidgedanken oder posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), die eine langfristige psychotherapeutische Behandlung erfordern.

 

Wie kann ich mich als Opfer schützen?

  1. Keine Reaktion zeigen: Täter suchen oft nach Aufmerksamkeit. Jede Reaktion kann das Verhalten verstärken.

  2. Beweise sichern: Nachrichten, E-Mails oder andere Kontaktversuche sollten dokumentiert werden. Es gibt spezielle Apps, entwickelt um Stalking-Vorfälle zu dokumentieren,

  3. Sicherheitsmaßnahmen ergreifen: Adressänderungen, neue Telefonnummern oder Sicherheitskameras können helfen.

  4. Rechtliche Schritte einleiten: Eine Anzeige bei der Polizei und juristische Maßnahmen wie eine einstweilige Verfügung können den Täter stoppen.

  5. Hilfe suchen: Psychologische Unterstützung und Beratungsstellen helfen, mit der Belastung umzugehen.

 

Fazit

Stalking ist kein harmloses Vergehen! Während die Beweggründe der Täter variieren, bleibt das Ergebnis für Betroffene oft dasselbe: Angst, Stress und ein Leben in Unsicherheit. Wichtig ist, Stalking ernst zu nehmen, rechtzeitig Hilfe zu suchen und konsequent gegenüber dem Täter zu handeln, um Schlimmeres zu verhindern.


Quellen

Chan, H. C., Laitinen, M. & Nikupeteri, A. (2024). Ex-Partner Stalking and Children: The Impact on Children When One Parent is Stalking the Other. John Wiley & Sons.

Dreßing, H. & Saß, H. (2020). Stalking und Affektdelikte. Der Nervenarzt, 92(7), 694–700. https://doi.org/10.1007/s00115-020-01017-5

Hoffmann, J. (2005). Stalking. Springer. https://dejure.org/gesetze/StGB/238.html https://lpr.niedersachsen.de/fileadmin/user_upload/redaktion_lpr/Publikationen/Haeusliche_Gewalt/Brosch_Stalking_web_2023.pdf

Landespräventionsrat Niedersachen (2020)
Voß, H. W. (2023). Stalking. In Springer eBooks. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41937-0

Bildquelle: Person wearing hooded jacket walking in bridge photo – Free Building Image on Unsplash

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