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Soziale Ängste überwinden – Impulse aus der kognitiven Verhaltenstherapie


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Hast du dich auch schon einmal in der Gegenwart anderer Personen unwohl gefühlt? Vielleicht kennst du auch Menschen in deinem näheren Umfeld oder hast Angehörige, denen es so geht. Dann bist du damit nicht allein. Soziale Ängste sind bei vielen Menschen vorhanden, bei manchen auch in einer starken Ausprägung. Problematisch wird es dann, wenn sie den Alltag bestimmen und das berufliche und persönliche Weiterkommen beeinträchtigen. So weit muss es aber nicht kommen. Hilfreich ist es daher, sich vorzustellen, dass soziale Ängste auf einem Kontinuum angesiedelt sind und du jederzeit die Möglichkeit hast, präventiv etwas für dich und gegen deine Ängste zu tun. Im Folgenden erfährst du verschiedene Methoden aus der kognitiven Verhaltenstherapie, die dir dabei helfen können, besser mit deinen Ängsten umzugehen und sie zu überwinden.


 

Worum geht es in der kognitiven Verhaltenstherapie?

In der kognitiven Verhaltenstherapie wird davon ausgegangen, dass sich soziale Ängste durch negative Gedanken entwickeln und durch Vermeidungsverhalten beibehalten werden. Das kognitive Modell besagt, dass unsere Gedanken für unsere Gefühle verantwortlich sind. Wenn eine Person in einer sozialen Situation ängstlich ist, dann sind deren Gedanken häufig übertrieben, verzerrt und entsprechen nicht der Realität. Wenn wir aber unser Denken über eine Situation ändern, dann verändern sich auch unsere Gefühle in eine positive Richtung.

Auf der Verhaltensebene ist es zudem wichtig, sich im Rahmen einer Exposition gezielt den sozialen Situationen zu stellen und die Erfahrung zu machen, dass die Ängste unbegründet sind und mit der Zeit nachlassen. Ziel eines Trainings oder einer Therapie ist es daher, die negativen Gedanken und Gefühle zu verändern und das Vermeidungsverhalten abzubauen. Langfristig sollen die betroffenen Personen Selbstwirksamkeitserfahrungen machen und sich sozial kompetent fühlen.


Welche Möglichkeiten gibt es, negative Gedanken zu verändern?


  • In der kognitiven Umstrukturierung geht es darum, sich eine ganz bestimmte Situation genau vorzustellen und dann aufzuschreiben, welche negativen Gedanken du in dieser Situation hast. Wenn dir keine negativen Gedanken einfallen, kannst du dir die Situation auch wie in einem Comic vorstellen, in dem du die Sprechblase ausfüllst, die du von dir gibst. Die konkrete Situation könnte beispielsweise sein, diesen Freitag um 22 Uhr eine Geburtstagsparty zu besuchen. Verzerrte, negative Gedanken sind in dieser Situation häufig:

    „Ich habe nichts Interessantes zu sagen“

       „Alle Augen sind auf mich gerichtet“

 

  • Versuche nun in diesen Gedanken kognitive Verzerrungen zu identifizieren. Zu den häufigsten Verzerrungen gehören: Alles-oder-Nichts Denken, übertriebene Verallgemeinerungen, mentaler Filter, Abwertung des Positiven, voreiliges Schlussfolgern, Gedankenlesen, Über- oder Untertreibung, emotionales Argumentieren, Sollte-Aussagen und sich selbst oder andere abstempeln.

 

  • Jetzt schreibe dir realistische, hilfreiche und positive Gedanken auf, die du zu 100 % glaubst und die den Glauben an die negativen Gedanken deutlich abschwächen, wie zum Beispiel:

„Ich kann freundlich auf andere zugehen und ein Gespräch beginnen.“

„Ich bin nicht der Mittelpunkt der Party. Es geht darum, Spaß zu haben.“


Warum ist es so wichtig, das Vermeidungsverhalten zu verändern?

Durch das Vermeiden von sozialen Situationen werden die sozialen Ängste beibehalten. Das Vermeiden führt zwar kurzfristig zu einer Erleichterung, langfristig werden aber soziale Fertigkeiten nicht entwickelt und die Ängste vergrößern sich mit der nächsten anstehenden sozialen Situation. Um das Verhalten zu ändern, ist es daher wichtig, im Rahmen einer Exposition gezielt gefürchtete Situationen aufzusuchen und sich den Ängsten zu stellen. Diese Konfrontation mit der Realität führt dazu, dass die negativen Gedanken getestet werden und sich sehr häufig als unbegründet erweisen. Weiter werden soziale Fertigkeiten entwickelt und es wird eine Toleranz für die Angst aufgebaut, die dann zwar als unangenehm, aber mit der Zeit als erträglich erlebt wird.


Welche konkreten Möglichkeiten gibt es, um soziale Ängste zu überwinden?


  1. Einfach Lächeln und Hallo-Sagen Zum Einstieg bietet es sich an, im Alltag zehn unbekannte Personen anzulächeln und „Hallo“ zu sagen. Du kannst dann notieren, wie viele Personen positiv reagieren, wie viele gar nicht und wie viele negativ.  Du wirst feststellen, dass die meisten Menschen freundlicher sind, als du es erwartet hast. Probiere es mal aus und starte dein persönliches Verhaltensexperiment!

  2. Selbstoffenbarung Eine zweite Möglichkeit, soziale Ängste zu überwinden, besteht darin, anderen Personen mitzuteilen, dass du gerade Ängste erlebst und du dich schüchtern fühlst. Das Problem ist nämlich nicht deine Schüchternheit an sich, sondern deine Scham darüber. Diese Technik funktioniert auch sehr gut bei körperlichen Symptomen, wenn du in sozialen Situationen schwitzt oder leicht errötest.

  3. Soziale Missgeschicke Eine dritte Möglichkeit, soziale Ängste zu überwinden, besteht darin, sich in sozialen Situationen absichtlich komisch zu verhalten und bewusst Missgeschicke zu fabrizieren, die die Aufmerksamkeit auf die eigene Person lenken. Das Ziel dabei ist, soziale Ängste zu tolerieren und die Erfahrung zu machen, dass die Welt nicht untergeht, wenn du etwas Komisches machst. Du wirst erstaunt sein, wie vielen Menschen es egal ist, wenn sich jemand komisch verhält. Diese Erkenntnis kann sehr befreiend sein. Deiner Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Am meisten Spaß macht es in einer Gruppe. Beachte aber, dass sich andere Menschen dabei nicht unwohl fühlen sollen. Das Ziel ist, dass du dich absichtlich ungeschickt verhältst und andere über dich lachen können.

 

Fazit

Das Überwinden sozialer Ängste erfordert Mut und eine gezielte Herangehensweise. Die kognitive Verhaltenstherapie bietet effektive Methoden, um verzerrte Gedanken zu verändern. Durch kognitive Umstrukturierung können positive Gedanken entwickelt werden, die den Glauben an die negativen Gedanken abschwächen. Zudem ist es wichtig, das Vermeidungsverhalten zu durchbrechen und sich den gefürchteten Situationen zu stellen. Diese Konfrontation führt dazu, dass sich die Ängste häufig als unbegründet erweisen und mit der Zeit nachlassen. Praktische Übungen wie Lächeln und Hallo-Sagen, die Selbstoffenbarung von Ängsten sowie soziale Missgeschicke bieten konkrete Ansätze, um soziale Ängste schrittweise zu überwinden. Dabei verändert sich nicht nur das Verhalten, sondern auch die Einstellung zu den eigenen Ängsten und die Wahrnehmung sozialer Situationen. Obwohl das Überwinden sozialer Ängste Zeit und Übung erfordert, ist es mit der richtigen Unterstützung und den geeigneten Techniken möglich, ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu führen, frei von den Fesseln sozialer Ängste.

 

Freundlicher Hinweis: Dieser Artikel dient der Anregung, Information und Psychoedukation. Er ist als Anstoß zu betrachten und soll keinen Ersatz für eine individuelle Behandlung, Diagnose oder Therapie darstellen. Dies muss durch eine ausgebildete Fachkraft für psychische Gesundheit erfolgen.



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