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Schizophrenie: Ein Blick auf die Angehörigen



Erkrankt eine Person an Schizophrenie, ist damit nicht nur für die Betroffenen selbst ein hoher Leidensdruck verbunden. Auch Angehörige sehen sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen und Belastungen konfrontiert (z.B. [1], [2]). Wie nehmen Bezugspersonen die Erkrankung wahr, welche Rolle spielen sie in der Behandlung und welche Empfehlungen gibt es speziell für Angehörige?


Die Perspektive der Angehörigen


Insbesondere im Zuge der akuten psychotischen Phase suchen viele Angehörige nach Ursachen und Erklärungen für die Erkrankung. Die charakteristischen Symptome wie Wahn, Halluzinationen oder Verhaltensauffälligkeiten können eine gewisse Verunsicherung und Sorge bei den Bezugspersonen hervorrufen und viele Fragen aufwerfen: Was genau geschieht hier? Wie wird es weitergehen? Werden sich die Symptome verschlimmern [3]?

In ihrem störungsübergreifenden Angehörigenbuch beschreibt Elisabeth Wagner [2], dass Familienmitglieder, Angehörige oder Bezugspersonen von Personen mit psychischen Störungen im Allgemeinen ein sehr gemischtes, teils widersprüchliches Gefühlsbild erleben: Auf der einen Seite bestehen Sorgen, Mitgefühl sowie der Wunsch zu helfen. Auf der anderen Seite werden jedoch auch Schuldgefühle, Wut, Ärger und Frustration empfunden – zum Beispiel dann, wenn ein Hilfsangebot von der erkrankten Person abgelehnt wird, wenn die erwünschte Besserung zunächst ausbleibt oder wenn keine Krankheitseinsicht besteht. Nicht zuletzt sehen sich Angehörige von Schizophrenie-Betroffenen zudem mit dem Stigma des Störungsbildes konfrontiert und empfinden entsprechend Angst vor Ablehnung und Diskriminierung [1].


Angehörige und Bezugspersonen sollten in die Behandlung miteinbezogen werden


Familienmitglieder oder andere nahe Bezugspersonen stellen für den Verlauf und die Behandlung der Schizophrenie in der Regel einen bedeutenden Faktor dar. Insbesondere Angehörige, mit denen die erkrankte Person zusammenlebt, nehmen schon sehr früh Veränderungen im Verhalten der/des Betroffenen wahr und können so zur Erkennung von Frühwarnzeichen oder „Vorboten“ einer akuten psychotischen Phase beitragen, sodass eine frühzeitige Intervention möglich ist [2]. Gleichwohl treten aus der angespannten, herausfordernden Situation heraus nicht selten auch Ärger, Konflikte und Kritik im gegenseitigen Umgang auf. Unter anderem aus diesen Gründen wird in den entsprechenden Behandlungsleitlinien empfohlen, die Familien der betroffenen Person in die Behandlung miteinzubeziehen und entsprechende Interventionen anzubieten, sofern der/die Patient*in mit seiner/ihrer Familie beziehungsweise Angehörigen zusammenlebt oder in engem Kontakt mit ihnen steht [4].


Familienintervention ist aber nicht gleich Familienintervention. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Verfahren, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Im Rahmen von Psychoedukativen Familienprogrammen steht die aktive Informationsvermittlung über die Störung und deren Behandlungsmöglichkeiten im Vordergrund. Ziel ist es, ein angemessenes Verständnis der Erkrankung sowohl bei Betroffenen selbst als auch bei den Angehörigen herzustellen, einen konstruktiven Umgang mit der Schizophrenie zu schaffen und bei der gemeinsamen Krankheitsbewältigung zu unterstützen [5].


Daneben gibt es auch solche Interventionen, die Wissensvermittlung und das Training relevanter Fertigkeiten miteinander kombinieren, indem anhand konkreter Alltagssituationen z.B. Rollenspiele durchgeführt werden. Mithilfe von Kommunikationstrainings sollen Betroffene und Angehörige lernen, wie sie einander positive und negative Gefühle, Wünsche und Erwartungen klar und angemessen ausdrücken können, ohne dabei Vorwürfe und ungünstige Kritik einzusetzen und Konflikte herbeizuführen. Daran anknüpfend wird im Zuge von Problemlösetrainings vermittelt, wie Probleme konkret definiert und gemeinsam Lösungsideen gesammelt sowie umgesetzt werden können. Zentrale Lernerfahrung sollte dabei die Erkenntnis sein, dass sich für die meisten Probleme und Konflikte eine Lösung finden lässt, mit der alle einverstanden sind [6]. Familieninterventionen, die die Informationsvermittlung mit Kompetenztrainings kombinieren und sowohl Betroffene als auch Angehörige gemeinsam miteinbeziehen, gelten als wirksam sowohl in Bezug auf die Gesamtsymptomatik, die Rückfallrate als auch die Funktionsfähigkeit der erkrankten Person [4].


Weitere Empfehlungen für Angehörige


Bemerken Angehörige Veränderungen im Verhalten der betroffenen Person, empfiehlt es sich, diese Wahrnehmung anzusprechen und Sorgen direkt zu äußern. Generell sollte dabei auf Ich-Botschaften geachtet werden: “Ich habe bemerkt, dass du in der letzten Zeit sehr nervös bist. Ich mache mir Sorgen um dich. Ist alles in Ordnung bei dir?” Liegt die Diagnose Schizophrenie noch nicht vor, so sollte laut Wagner [2] nicht direkt von einer Psychose gesprochen werden. Stattdessen empfiehlt sie, neben den angesprochenen Veränderungen einen gemeinsamen Arztbesuch anzubieten.


Da die Symptome sich zwischen den Krankheitsphasen sehr unterscheiden können, kann auch Unterstützung durch Angehörige im Verlauf ganz unterschiedlich aussehen. Steht die Plus-Symptomatik im Vordergrund, kann versucht werden, Ruhe und eine sichere Umgebung anzubieten. Ist die Negativ-Symptomatik in Form von Antriebsmangel, Freudlosigkeit und Rückzug im Fokus, können Angehörige eine aktivierende Atmosphäre schaffen, indem sie z.B. bei der Erstellung und Einhaltung einer Tagesstruktur inklusive verpflichtenden Tätigkeiten helfen [2]. Insgesamt ist vor allem die Ermutigung durch Angehörige von hoher Bedeutung, das heißt: die betroffene Person zur weiteren Behandlung sowie zum Einhalten von Arztterminen oder Psychotherapie-Sitzungen zu motivieren oder ihr Mut zu machen, nach der akuten psychotischen Phase die ursprünglichen Fähigkeiten zurückzuerlangen [3]. Bei fehlender Krankheitseinsicht oder chronischen Verläufen können betreute Wohnangebote erwogen werden. Spezielle Beratungsangebote sowie der Austausch in Angehörigengruppen können hierbei sehr hilfreich und entlastend sein [2].


Nichtsdestotrotz sollte aber auch das eigene Wohlbefinden nicht außer Acht gelassen werden - und dies gilt generell für Angehörige von psychisch Erkrankten.

Letztlich geht es darum, ein Gleichgewicht zu finden zwischen Rücksichtnahme, Unterstützung und den eigenen Bedürfnissen und Interessen. Dabei hilft es, im Gespräch einen gemeinsamen Umgang mit der Schizophrenie zu finden und sowohl Erwartungen als auch Grenzen klar zu kommunizieren [2].



Quellen

[1] Schmid, R., Spießl, H., Vukovich, A. & Cording, C. (2003). Belastungen von Angehörigen und ihre Erwartungen an psychiatrische Institutionen. Fortschritte der Neurologie · Psychiatrie, 71(03), 118-128. https://doi.org/10.1055/s-2003-37754


[2] Wagner, E. (2021). Psychische Störungen verstehen: Orientierungshilfe für Angehörige. Berlin: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-63156-06


[3] Hahlweg, K. & Dose, M. (2005). Ratgeber Schizophrenie. Informationen für Betroffene und Angehörige. Göttingen: Hogrefe.


[4] Lincoln, T., Pedersen, A., Hahlweg, K. & Frantz, I. (2019). Evidenzbasierte Leitlinie zur Psychotherapie von Schizophrenie und anderen psychotischen Störungen. Göttingen: Hogrefe. http://doi.org/10.1026/02883-000


[5] Wiedemann, G., Klingberg, S., Pitschel-Walz, G. & Arbeitsgruppe Psychoedukation (2003). Psychoedukative Interventionen in der Behandlung von Patienten mit schizophrenen Störungen. Der Nervenarzt, 74(9), 789-808. https://doi.org/10.1007/s00115-003-1558-6


[6] Lincoln, T. (2018). Schizophrenie. In J. Margraf & S. Schneider (Hrsg.), Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 2: Psychologische Therapie bei Indikationen im Erwachsenenalter, (S. 391–414). Berlin, Heidelberg: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-54909-4_20


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