Der Zusammenhang zwischen dem Essverhalten sowie dem erlebten Stress eines Individuums wird im Bereich der Gesundheitspsychologie erforscht. In der Forschung wird unter anderem auf das Phänomen eingegangen, dass Studenten, die sich in den ersten beiden Semestern befinden, an Körpergewicht zunehmen. Als eine der möglichen Ursachen wird ein erhöhtes Stresslevel diskutiert. Dieses kann zum Beispiel dadurch zustande kommen, dass viele Studenten von zu Hause ausziehen und sich selbst versorgen müssen. Ursächlich für erhöhte Stresslevel sind der akademische Leistungsdruck, die finanziellen Sorgen sowie die gesteckten Pläne nach dem Studium. Diese Ursachen führen unter anderem auch zu psychologischen Problemen im Laufe des Studiums (z.B. Prüfungsangst, Depression).
Weibliche Studierende berichten über häufigere und höhere Stresslevel im Vergleich zu ihren männlichen Kommilitonen.
Exkurs: (a-)typische Reaktion bei Stress auf das Essverhalten
Bei einer Stressreaktion ein gesteigertes Essverhalten zu zeigen ist eigentlich keine typische Reaktion. Der Körper reagiert bei Stress typischerweise mit einer Hemmung der Magenmobilität und der Freisetzung von Zucker in den Blutkreislauf. Damit soll das Hungergefühl unterdrückt werden.
Bei einer verzerrten inneren Wahrnehmung, einer abgestumpften Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HHNA) und/oder einer Dysregulation der Emotionen, kann ein sogenanntes emotional geleitetes Essverhalten durch Stress entstehen. Betroffene essen infolge von Stress mehr statt weniger.
In einer Studie von O'Connor und O'Connor (2004) erfassten 131 Psychologie Studentinnen in einer jeweils zweiwöchigen stressfreien sowie stressigen Phase ihre Zwischenmahlzeiten. Zusätzlich füllten diese Fragebögen aus, die Aufschluss geben sollten über den Stressstatus, Essverhaltensstile (darunter Diätstatus) und das Ausmaß an Gewissenhaftigkeit sowie Perfektionismus. Studentinnen mit niedriger Gewissenhaftigkeit, die gerade versuchten abzunehmen, nahmen sich selbst so wahr, dass sie während der stressigen Phase mehr Zwischenmahlzeiten als gewöhnlich aßen, verglichen mit der nicht stressigen Phase. Darüber hinaus gaben Studentinnen mit niedriger Gewissenhaftigkeit, die auch einen hohen Grad an selbstorientiertem Perfektionismus aufwiesen, signifikant häufiger an, während der stressigen Phase mehr Zwischenmahlzeiten als üblich gegessen zu haben (im Vergleich zur nicht stressigen Phase).
Diese Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass bestimmte Eigenschaften einer Person primär dazu beitragen, in einer stressigen universitären Phase mehr zu essen.
Auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern ging auch die Studie von Choi (2020) ein. Weibliche Studierende gaben häufiger an zu essen, um Stress abzubauen im Vergleich zu den männlichen Studierenden. Darüber hinaus waren ungesunde Ernährungsgewohnheiten bei weiblichen Studierenden verbreiteter, da sie häufiger zuckerhaltige Snacks (Kuchen, Süßigkeiten, Softdrinks) konsumierten und auch häufiger das Abendessen ausließen. Sie wiesen auch vermehrt hohe Stresslevel auf im Vergleich zu ihren männlichen Kommilitonen. Studierende mit einem hohen Stresslevel machten weniger regelmäßig Sport und aßen häufiger zum Stressabbau im Vergleich zu solchen mit einem niedrigen Stresslevel. Des Weiteren aßen die sehr gestressten Studierenden häufiger Fast Food, Fertigessen sowie Snacks und übersprangen häufiger Mahlzeiten als weniger gestresste.
Der Autor untersuchte zudem den Unterschied im Essverhalten zwischen den Studierenden die noch bei ihren Eltern wohnten und denen die alleine lebten. Studierende, die noch bei ihren Eltern wohnten, aßen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit mehr als zwei Stücke frisches Obst die Woche und konsumierten häufiger Fisch als Studierende die alleine lebten. Wenn Studierende alleine lebten, verzichteten sie häufiger auf das Frühstück oder das Mittagessen.
Wie aus den Ergebnissen von Ling und Zahry (2021) hervorgeht, nimmt die Fähigkeit zur Selbstregulierung eine schützende, mediierende Rolle bei der Kontrolle des Konsums von Süßigkeiten sowie Softdrinks und bei den negativen Auswirkungen von Stress sowie beim emotionalen Essen ein.
Und Mitternacht-Snacks?
Unter dem sogenannten ‚Night-Eating Syndrome (NES)‘ versteht man ein Essverhalten, dass durch einen Verzicht auf das Frühstück und vermehrtes abendliches Essen charakterisiert ist.
Wichianson et al. (2009) untersuchten die Rolle von Coping Strategien (Bewältigungsstrategien) in der Beziehung zwischen dem wahrgenommenen Stress und dem NES bei Studierenden. Bei den Teilnehmenden handelte es sich um 95 Bachelor-Studierende im Alter von 18 bis 29 von denen 68.8 % weiblich waren. Die Autoren fanden heraus, dass es tatsächlich einen positiven Zusammenhang zwischen dem NES und dem Stressniveau der Studierenden gab. In einer weiteren Analyse zeigte sich, dass die Art des Coping (adaptiv vs. maladaptiv) einen Einfluss auf die Beziehung der beiden Variablen hat. Adaptives Coping, dass zur Problemlösung förderlich ist, hatte einen moderierenden Einfluss auf die Beziehung zwischen NES und Stressniveau. Wenn Studierende über wirkungsvolle Stressbewältigungsstrategien verfügen, kann dies eine positive Auswirkung auf das nächtliche Essverhalten haben. Maladaptives Coping wie beispielsweise das Leugnen oder der Substanzkonsum hat dagegen einen negativen mediierenden Einfluss auf das nächtliche Essverhalten der Studierenden.
Limitationen der Studien
Zu berücksichtigen sind die geographischen sowie kulturellen Grenzen der Studien, da bei den vorgestellten Studien Studierende aus den amerikanischen sowie asiatischen Bildungssystemen rekrutiert wurden. Studierende aus einem anderen Bildungssystem beziehungsweise mit einem anderen kulturell geprägten Background könnten z.B. anders mit dieser Art von Stress umgehen und andere Essgewohnheiten aufweisen. Darüber hinaus fehlt in den Studien die Angabe von der exakten Nahrungsmengen sowie den jeweiligen Kalorienangaben der Nahrungsmittel.
Darüber hinaus gibt es auch Forschungsergebnisse, die eine erhöhte Nahrungsaufnahme (z.B. von Snacks) bei Studierenden nicht feststellen konnte. Folglich spielen auch andere externe Konstellationen betrachtet am individuellen Fall eine zu berücksichtigende Rolle.
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