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Einerseits traurig, andererseits froh: Gemischte Gefühle



Tagtäglich stehen wir vor unzähligen Möglichkeiten, Entscheidungen und erleben verschiedenste Ereignisse und Begegnungen: Ganz klar, unser Alltag ist komplex und facettenreich. Da ist es nicht verwunderlich, dass auch unser emotionales Befinden manchmal sehr komplex sein kann. Selten beschreiben Menschen ihren emotionalen Zustand in nur einem Wort, häufig sind es doch mehrere Gefühle, die mit einer Situation verbunden sind – je nachdem, aus welcher Perspektive man sie betrachtet [1].


Ein Beispiel für solche komplexeren Emotionszustände sind gemischte Gefühle: Stell dir etwa vor, du ziehst in eine andere Stadt, um deinen Traumjob anzutreten. Vermutlich freust du dich, bist glücklich über die Aussicht, in deinem Traumjob zu arbeiten. Gleichzeitig empfindest du wahrscheinlich Traurigkeit, weil dies auch bedeutet, dass du dich zum Beispiel von deinen Freundinnen und Freunden verabschieden musst.


Aber was sagt die Forschung dazu: Kann man wirklich gleichzeitig fröhlich und traurig sein?


Unter gemischten Gefühlen versteht man zunächst einmal das gleichzeitige Vorhandensein von positiv und negativ getönten Emotionen wie bspw. Freude und Traurigkeit oder Liebe und Wut [2]. Jeff T. Larsen und A. Peter McGraw [2] konzeptualisieren gemischte Gefühle darüber hinaus als eine Unterkategorie von emotionalen Mischungen, bei denen mehrere Emotionen mit unterschiedlicher oder auch gleicher Tönung vorliegen können. Ein Beispiel für eine emotionale Mischung aus Gefühlen mit gleicher Tönung kann etwa die Kombination aus Liebe und Freude sein.


Die Untersuchungen von Larsen, McGraw & Cacioppo (2001) [3]

Die Wissenschaftler Jeff T. Larsen, A. Peter McGraw und John T. Cacioppo [3] stellten sich eben diese Frage, ob Menschen zugleich Traurigkeit und Freude empfinden können und führten auf dieser Grundlage eine Untersuchung durch, die drei Teilstudien umfasste.

In der ersten Studie sahen die Versuchspersonen einen Film, dessen Inhalt sowohl humorvolle als auch tragische Elemente umfasste –der Film war also durch eine gewisse Ambivalenz gekennzeichnet. Das emotionale Erleben der Versuchspersonen wurde mittels mündlicher und schriftlicher Fragen erfasst, wobei eine Gruppe diese vor dem Schauen des Films und eine andere Gruppe im Anschluss an den Film beantwortete. Es zeigte sich, dass bei den Versuchspersonen, die die Fragen vorab beantworteten, nur 10% von gemischten Gefühlen berichten. Demgegenüber gaben 44% der Versuchspersonen nach dem Film an, gemischte Gefühle zu empfinden [3].


In der zweiten Studie von Jeff T. Larsen und Kollegen [3] wurde eine Situation untersucht, die ganz ähnlich zum obigen Beispiel ist: Diesmal wurde 200 Studierenden ein Fragebogen zum emotionalen Erleben ausgehändigt – und zwar entweder am Tag ihres Auszugs aus dem Studierendenwohnheim oder an eher „normaleren“ Tagen. Im Einklang mit der ersten Studie ergab sich hier, dass nur 16% der Studierenden an einem eher üblichen Tag gleichzeitig Traurigkeit und Freude berichteten, während es bei den Studierenden, die den Fragebogen im Rahmen ihres Auszugs ausfüllten, 54% waren [3].


Die dritte und letzte Studie dieses Forschungsprojektes sah ganz ähnlich aus: Erneut wurden Studierende mittels Fragebogen zum Emotionserleben befragt, entweder am Tag ihrer Abschlussfeier oder an einem „normaleren“ Tag. Das Ergebnismuster zeigte erneut, dass während eines „normaleren“ Tages nur 20% der befragten Studierenden gemischte Gefühle im Sinne von Traurigkeit und Freude angab, wohingegen am Tag des Abschlusses immerhin die Hälfte von gleichzeitiger Traurigkeit und Freude berichtete [3].


Jeff T. Larsen, A. Peter McGraw und John T. Cacioppo [3] schließen aus diesen Ergebnissen, dass gemischte Gefühle aus Traurigkeit und Freude an üblichen Tagen beziehungsweise in üblichen Situationen oder Umständen vermutlich eher selten sind, in emotional komplexen Situationen aber durchaus vorkommen können – also beispielsweise im Zuge neuer Lebensabschnitte oder bedeutsamer Lebensveränderungen, aber auch in Beziehungskontexten wie etwa bei Wettbewerbssituationen unter Freundinnen und Freunden. Ein besonders interessanter Interpretationsansatz sowie Diskussionspunkt der Autoren: Das Erleben von gemischten Gefühlen könnte evolutionär gesehen durchaus vorteilhaft sein, indem dadurch gleichzeitig positive und negative Hinweisreize aus der Umwelt berücksichtigt und so flexible Verhaltensweisen möglich sein würden [3].


Weitere Forschung durch Larsen & McGraw (2011) [4]

Jeff T. Larsen und A. Peter McGraw [4] führten eine Reihe weiterer Studien zur Frage nach dem Vorkommen von gemischten Gefühlen durch und nutzten einige zusätzliche Methoden wie unter anderem die sogenannte Button Press Task, bei der die Versuchspersonen beispielsweise während eines Films zeitgleich statt im Anschluss jeweils unterschiedliche Knöpfe drücken sollen – je nachdem, ob sie gerade zum Beispiels Traurigkeit oder Freude empfinden. Außerdem verglichen sie unter anderem Personen, die der Meinung sind, dass Menschen gemischte Gefühle erleben können und Personen, die gegenteiliger Meinung sind und dies als unmöglich erachten. Insgesamt zeigte sich auch in diesen Studien, dass im Zuge ambivalenter Kontexte oder Reize häufiger gemischte Gefühle berichtet werden als in eher gewöhnlicheren Situationen – und zwar sowohl bei Personen, die das Erleben gemischter Gefühle als möglich erachten als auch bei Personen, die dies nicht für möglich halten [4].


Emotionen zu messen ist gar nicht so leicht


Nichtsdestotrotz muss man wohl auch berücksichtigen, dass die genannten Studien durchaus Einschränkungen aufweisen. Das Erfassen von Emotionen ist schließlich alles andere als einfach und eindeutig [2]. Insbesondere bei Selbstberichten besteht immer eine gewisse Lücke zum tatsächlichen Erleben, das heißt beispielsweise, dass es möglich ist, dass Personen zwar ambivalente Aspekte eines Objektes oder einer Situation wahrnehmen, aber tatsächlich gar keine gemischten Gefühle erleben, insbesondere, wenn sich die Fragen auf vergangene Situationen beziehen und Personen sich an diese erinnern sollen [4]. Ebenso ist es nicht komplett auszuschließen, dass das Erfragen von gemischten Gefühlen die befragte Person in gewisser Hinsicht dazu „auffordert“, diese zu berichten [2], [4]. Darüber hinaus wird auch diskutiert, ob die durch Filme und Musik herbeigeführten Emotionen tatsächlich auch realen, alltäglichen Emotionen entsprechen oder ob diese womöglich eher etwas künstlich sind, das heißt, ob sie die Komplexität der realen Welt angemessen abbilden [2].


Jeff T. Larsen und A. Peter McGraw [2] kommen in ihrer Überblicksarbeit insgesamt zu der Schlussfolgerung, dass gemischte Gefühle in Form von Traurigkeit und Freude eher selten erlebt werden, während andere Gefühlskombinationen, die gegebenenfalls weniger gegensätzlich sind, vermutlich häufiger auftreten.



Quellen

[1] Grossmann, I. & Ellsworth, P. C. (2017). What are mixed emotions and what conditions foster them? Life-span experiences, culture and social awareness. Current Opinion in Behavioral Sciences, 15, 1-5. https://doi.org/10.1016/j.cobeha.2017.05.001


[2] Larsen, J. T. & McGraw, A. P. (2014). The Case for Mixed Emotions. Social and Personality Psychology Compass, 8(6), 263–274. https://doi.org/10.1111/spc3.12108


[3] Larsen, J. T., McGraw, A. P. & Cacioppo, J. T. (2001). Can people feel happy and sad at the same time? Journal of Personality and Social Psychology, 81(4), 684–696. https://doi.org/10.1037/0022-3514.81.4.684


[4] Larsen, J. T. & McGraw, A. P. (2011). Further evidence for mixed emotions. Journal of Personality and Social Psychology, 100(6), 1095–1110. https://doi.org/10.1037/a0021846


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