Der häufigste Grund für das Aufsuchen von Erziehungsberatungsstellen, schulpsychologischen Diensten und Einweisung von Kindern in Psychiatrien ist ADHS.
Eltern, deren Kinder ADHS haben, stehen vor einer besonderen Herausforderung und berichten von einer hohen psychischen Belastung.
ADHS ist gekennzeichnet durch Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität. Das bedeutet, dass Menschen mit ADHS Schwierigkeiten haben, ihre Aufmerksamkeit über längere Zeit auf eine bestimmte Sache zu richten und sich an Pläne zu halten. Außerdem platzen sie oft ohne nachzudenken mit Antworten oder Reaktionen heraus, da es ihnen schwerfällt, diese zu unterdrücken.
Es gibt unterschiedliche Ausprägungen bzw. Subtypen von ADHS. Neben dem am häufigsten auftretenden Misch-Typ gibt es auch den Unaufmerksamen Typ und den Hyperaktiv-Impulsiven Typ.
In einigen Fällen treten zusätzlich zu ADHS weitere Krankheitsbilder, sogenannte Komorbiditäten, auf. Darunter beispielsweise die oppositionelle Verhaltensstörung (ODD). Die Ergebnisse belegen, dass Mütter von Kindern, die neben ADHS eine zusätzliche ODD aufweisen, die größte Belastung berichten und anfälliger für Depressionen sind.
Erblichkeit
Da ADHS hochgradig vererbbar ist und Eltern in 50 % der Fälle selbst von ADHS betroffen sind, kann dies zusätzlich zu Problemen in der Erziehung führen. Daher müssen Eltern lernen, wie man mit den Symptomen umgeht und was die beste Therapie für ihr Kind ist.
Es ist eine falsche Annahme, dass ADHS ausschließlich eine Erkrankung des Kindesalters ist. Die Symptomatik bleibt in bis zu 78 % der Fälle bis ins Erwachsenenalter vorhanden.
Eltern-Kind-Beziehung
Betroffene Familien haben oft ein schwerwiegendes Problem in der Eltern-Kind-Beziehung. Zunächst kann das ADHS-Verhalten des Kindes zu mehr Ungeduld führen. Die Aufmerksamkeit wird auf das störende Verhalten fokussiert und es kommt zu impulsiven Reaktionen der Eltern bzw. zur „Überreaktion“. Dies wiederum verstärkt das externalisierende Verhalten des Kindes.
Wenn Eltern unter Stress stehen, können sie abweisender werden, kontrollierend und empfindlich auf ihr Kind reagieren.
Es kommt zu einem Kreisschluss: Das ADHS-Verhalten der Kinder, das ADHS-Verhalten der Eltern, die eigene Erziehung, sowie Erziehungsstress tragen zu Erziehungsproblemen bei, was wiederum das ADHS-Verhalten des Kindes beeinflusst.
ADHS und Schule
Der Schuleintritt verstärkt die Schwierigkeiten zunehmend. Manchmal treten die Symptome auch erst jetzt auf. Kinder mit ADHS kämpfen damit, sich an die Schulumgebung anpassen zu müssen und haben oft Lernschwierigkeiten, was sich in schlechten Noten niederschlägt. Lehrer beklagen sich, dass das Kind unkonzentriert sei, aus dem Fenster schaue oder den Unterricht störe. Die Hausaufgaben gestalten sich schwierig.
20 bis 30 Prozent der Kinder haben eine begleitende Lernstörung, die das Lesen, Rechtschreiben und Rechnen betrifft. Das kann neurologisch auf Defizite im Präfrontalen Kortex zurückgeführt werden, wo unter anderem das Arbeitsgedächtnis sitzt.
Grundschule
Kinder mit ADHS im Vorschulalter haben nachweislich Probleme mit dem Gedächtnis, dem logischen Denken, den akademischen Fähigkeiten und der Entwicklung allgemeiner kognitiven Fähigkeiten und beim Erwerb von grundlegenden Fertigkeiten in den Bereichen Lesen und Mathematik.
Vorschulkinder, die signifikante frühe Anzeichen von ADHS zeigen, aber zu Hause proaktive, feste Grenzsetzung und angemessen strukturierten Klassenzimmern ausgesetzt sind, können die Abwärtsspirale einer langfristigen Ausprägung der Störung und schlechte schulische Leistungen vermeiden.
Pubertät
Im Alter von 15 Jahren liegen die als hyperaktiv eingestuften Kinder immer noch hinter den Kindern der Kontrollgruppe, was die Lesekompetenzen betrifft.
Laut Studien beeinflusst Unaufmerksamkeit die Leseleistung am stärksten.
In ihrer Längsschnittstudie fanden Mannuzza und Kollegen (1993), dass in einer Stichprobe von Erwachsenen, bei denen ADHS diagnostiziert wurde, nur 12 % einen Bachelor-Abschluss oder einen höheren Abschluss hatten, verglichen mit fast der Hälfte der Kontrollgruppe.
Es gibt jedoch Hinweise, dass einige Personen mit ADHS, die es schaffen, mit ihren Symptomen zurechtzukommen, ihre Ausbildung bis zur Universität fortsetzen.
Wie können betroffene Kinder akademisch unterstützt werden?
Neuere Forschungen haben ergeben, dass das Training der Arbeitsgedächtnisfähigkeiten die Reaktionshemmung, logisches Denken und von den Eltern bewertete unaufmerksame Symptome verbessern.
Peer-Tutoring ist eine Methode, bei der zwei Personen zusammenarbeiten, wobei die eine der anderen Anleitung und Unterstützung bietet. Diese Strategie verbessert das Unterrichtsverhalten und die Leistungen.
Auch auf Eltern ist das Konzept von „Tutoring“ übertragbar. In einer Studie wurden Eltern beauftragt, ihr Kind mit ADHS bei mündlichen Leseaufgaben zu unterstützen, wobei das Verfahren Einzelunterricht, Feedback und aktives Reagieren beinhaltete. Die Leseleistung zu Hause und in der Schule verbesserte sich.
Aufgabengestaltung
Aufgaben sollten möglichst knapp gestellt und in Untereinheiten aufgeteilt werden. Es ist eine große Hilfestellung, Anweisungen und Instruktionen ausdrücklich und klar zu formulieren.
Das Kind sollte sich spezifische Ziele setzen und diese überwachen. Nach erfolgreichem Abschließen ist eine Belohnung sinnvoll. Dieser Ansatz des Selbst-Monitorings ist besonders gemeinsam mit einer medikamentösen Therapie effektiv.
Hausaufgaben
Abgesehen von der Fähigkeit ist die Zeit, die für Hausaufgaben aufgewendet wird, der beste Prädiktor für die Noten und Leistungen der Schüler.
Aufgrund der Probleme mit Planung, Prioritätensetzung, Herausfiltern von Ablenkungen, Konzentration auf einzelne Aufgaben, Vergesslichkeit und mangelnder Organisation ist es wahrscheinlich, dass die Hausaufgaben darunter leiden.
Gegenstände wie z. B. ein Stressball oder Knetmasse können hilfreich sein, um sich während den Aufgaben auf eine Art bewegen zu können, die die Erledigung der Aufgabe nicht
beeinträchtigt.
Wenn die Konzentration nachlässt, sollte das Kind die Möglichkeit auf Pausen haben.
Therapie und Handlungsansätze
Medikamente
Eine der Behandlungsmethoden ist die Einnahme von Medikamenten. Häufig wird Methylphenidat verschrieben, das sich als sehr wirksam erweist. Allerdings ist die Einnahme mit Nebenwirkungen verbunden.
Verhaltenstraining
Ein weiterer Ansatz ist das Verhaltenstraining für Eltern. Wenn Eltern jedoch selbst von ADHS betroffen sind, wie es oft der Fall ist, ist das Training wenig effektiv.
Achtsamkeitstraining
Besonders sinnvoll sind Verfahren, die sowohl auf Seiten der Eltern als auch des Kindes ansetzen. Das auf der kognitiven Therapie basierende Achtsamkeitstraining vermittelt Eltern und Kindern mit ADHS Strategien zur wertfreien Beobachtung und zur Verminderung automatischer Antworten. Es führt zu einer effektiven Verbesserung der selbst-berichteten ADHS-Symptome und zur Reduktion des elterlichen Stresses.
Es beinhaltet tägliche Meditationen und Eltern lernen, auf sich selbst Acht zu geben und Ruhe in die Familie zu bringen.
Kinder lernen, ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren, ihre Wahrnehmung sowie Selbstbeherrschung zu verbessern durch Achtsamkeitsübungen und Hausaufgaben. Außerdem lernen sie, Achtsamkeit in schwierigen Situationen anzuwenden, z. B. bei Ablenkung in der Schule.
Aber auch diese Intervention ist Kritik ausgesetzt. So wird bemängelt, dass die erlernten Fähigkeiten wenig generalisierbar sind auf andere Situationen außerhalb des Therapie-Settings.
Das Austesten, was für einen persönlich am besten funktioniert, ist unumgänglich.
Unterstützung
Es gibt unterschiedliche Anlaufstellen, an die sich Eltern wenden können für Beratungen und Unterstützung:
Caritas: https://www.caritas.de/hilfeundberatung/hilfeundberatung
Selbsthilfegruppen: https://www.adhs-deutschland.de/Home.aspx
Netzwerke: https://www.zentrales-adhs-netz.de/
Hausarzt
Für das Kind ist es am wichtigsten, das Gefühl vermittelt zu bekommen, dass es akzeptiert wird, so wie es ist. Es hat oft andere Herangehensweisen bei unterschiedlichen Aufgaben und Eltern sollten ihm den Freiraum geben, Verantwortung für sich selbst und sein Handeln übernehmen zu können.
Quellen
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